124 research outputs found

    Eros, Melancholie und Medien : Goethes "Amor als Landschaftsmahler"

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    Als Goethe Ende Februar 1788 eine Art ResĂŒmee seines Aufenthaltes in Italien zieht, entwirft er auch ein Programm fĂŒr die Zukunft: "Ich bin fleißig und vergnĂŒgt", schreibt er an Johann Gottfried Herder, "und erwarte so die Zukunft. TĂ€glich wird mir's deutlicher, daß ich eigentlich zur Dichtkunst geboren bin, und daß ich die nĂ€chsten zehen Jahre, die ich höchstens noch arbeiten darf, dieses Talent excoliren und noch etwas Gutes machen sollte, da mir das Feuer der Jugend manches ohne großes Studium gelingen ließ. Von meinem lĂ€ngern Aufenthalt in Rom werde ich den Vortheil haben, daß ich auf das AusĂŒben der bildenden Kunst Verzicht thue. / Angelica [Kauffmann] macht mir das Compliment: daß sie wenige in Rom kenne, die besser in der Kunst sĂ€hen als ich. Ich weiß recht gut, wo und was ich noch nicht sehe, und fĂŒhle wohl, daß ich immer zunehme, und was zu thun wĂ€re, um immer weiter zu sehn. Genug, ich habe schon jetzt meinen Wunsch erreicht: in einer Sache, zu der ich mich leidenschaftlich getragen fĂŒhle, nicht mehr blind zu tappen.

    Ein Denkmal wird beerdigt : "Die BĂŒste des Kaisers" von Joseph Roth

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    Um das Ende eines Denkmals geht es in Joseph Roths ErzĂ€hlung "Die BĂŒste des Kaisers". In ihr ist das Denkmal Zeichen und Sinnbild fĂŒr einen allgemeinen Mythos, hinter dem jedoch ein zweiter, ein "persönlicher Mythos" des Autors Joseph Roth erkennbar wird. Diesem Doppelaspekt einer verborgenen autobiographischen Rede, eines "verschwiegenen Ich" hinter der manifesten Schicht der erzĂ€hlten Geschichte gilt die folgende Deutung

    Pavillons, GlashÀuser und Seitenwege - Topos und Vision des Paradiesgartens bei Saar, Hofmannsthal und Heinrich Mann : Wolfram Mauser zum 60. Geburtstag

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    Seit der zweiten HĂ€lte des 19. Jahrhunderts taucht das literarische Motiv des Gartens in der deutschen, aber auch in der englischen und französischen Literatur besonders hĂ€ufig auf. In verschiedenen literaturwissenschaftlichen Untersuchungen hat man dieses PhĂ€nomen zu deuten versucht, eine RĂŒckbesinnung auf das Mythenreservoir der Tradition in Zeiten verunsicherter IndividualitĂ€t erkannt, aber auch die Formen der Umwandlung und die synkretistische Verwendung des Gartenmotivs beobachtet. Christliche Mythenelemente [...] vermischen sich mit antiken Topoi [...] oder MĂ€rchenmotiven [...]. UnabhĂ€ngig davon, ob die Gartenlandschaft in realistischer Detailtreue oder in visionĂ€rer TraumatmosphĂ€re geschildert wird, kann man zudem zum Jahrhundertende hin eine zunehmende Stilisierung des Gartens als Seelenschauplatz erkennen - bei aller Vielfalt der Varianten und motivgeschichtlichen Vorbilder. Auffallend hĂ€ufig findet sich in der Literatur der Jahrhundertwende das Bild des Gartens als eines (vermeintlichen) Schutzraumes zwischen fremder, "wilder" Natur und gesellschaftlich-zivilisatorischer Gegenwart, in dem das Subjekt sich mit "Erkenntnis", "Begehren" und "Verschuldung", Grundfragen seiner Existenz, auseinandersetzen muß. [...] Diesen Problemhorizont möchte ich am Beispiel von drei Prosatexten aus der deutschen Literatur der Jahrhundertwende bedenken: Ferdinand von Saars "Schloß Kostenitz" (1893), Hugo von Hofmannsthals "MĂ€rchen der 672. Nacht" (1895) und Heinrich Manns "Das Wunderbare" (1896). Die Texte sind fast gleichzeitig entstanden, mĂŒssen aber stilgeschichtlich unterschiedlichen Richtungen - SpĂ€trealismus, Symbolismus / Jugendstil - zugeordnet werden. Allen drei Texten ist als signifikantes Merkmal der Schauplatz des Gartens gemeinsam, in allen drei Texten geht es - offensichtlich oder verdeckt - um "Gartenfrevel" und "Gartenlust"

    Der Augen Blick - Kunstrezeption und Fensterschau bei Hofmannsthal

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    FĂŒr die Literatur der Jahrhundertwende werden Werke der bildenden Kunst auf eine Weise bedeutsam, die sich wesentlich von der Kunstrezeption frĂŒherer Epochen unterscheidet: Im Zusammenhang mit den literarischen Neigungen zur Symbolisierung kommt dem Bild bzw. der BiIdhaftigkeit des Ausdrucks eine zentrale Rolle zu. Bildende Kunst als Medium visueller VergegenwĂ€rtigung erhĂ€lt einen neuen Stellenwert innerhalb des literarischen Produktionsprozesses. Am Beispiel Hofmannsthals lĂ€ĂŸt sich dies besonders gut verdeutlichen, da er sich zeitlebens intensiv mit der Kunsttradition auseinandersetzte und Bild"vorgaben" in hohem Maße in sein Werk einbezog. Diese "produktive Rezeption" (G. Grimm) der bildenden Kunst bei Hofmannsthal lĂ€ĂŸt sich durch sein gesamtes literarisches Schaffen verfolgen. Sie ist nicht nur konkret faßbar in den lyrischen Dramen und den KunstaufsĂ€tzen. Sie ist auch erkennbar in elementaren Erfahrungen (wie dem Van-Gogh-Erlebnis in den Briefen des "ZurĂŒckgekehrten" und dem Anblick der archaischen Koren im dritten Teil der "Augenblicke in Griechenland") und schlĂ€gt sich nieder in grundsĂ€tzlichen philosophischen und kunstĂ€sthetischen Fragestellungen

    Vom Lesen erzĂ€hlen : Anton Reisers Initiation in die BĂŒcherwelt

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    Die vielleicht bewegendste literarische Lebensgeschichte des 18. Jahrhunderts, Karl Philipp Moritz’ Anton Reiser (1785-1790), ist ein in vieler Hinsicht hybrider Text. Weder Liebes-, Familien- noch Bekehrungsgeschichte erzĂ€hlt sie den ins Leere laufenden Bildungsweg eines Melancholikers. Eingeschrieben ist ihr eine LektĂŒre- und Autorbiographie, in der Lesenlernen und die Initiation in die BĂŒcherwelt eine SchlĂŒsselfunktion haben. Daß meine Darstellung dieser Initiation in einen so breiten Rahmen eingelassen ist, muß begrĂŒndet werden. Er soll zeigen, wie die in den Vorreden geforderte Aufmerksamkeit fĂŒr alltĂ€gliche Details ĂŒber die Ordnung des ErzĂ€hlens generiert wird; und zwar eines ErzĂ€hlens, das Kontexten auf der Spur ist. Interessiert hat mich sowohl die Deskription wie auch die Konstruktion dieser Geschichte, und so ist mein Beitrag auf den Umfang von zweien angewachsen..

    "Das Erlebnis des Sehens" : zu Hofmannsthals produktiver Rezeption bildender Kunst

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    Trotz einiger vorliegender Arbeiten zu Hofmannsthals Kunstrezeption ist die Frage nach der spezifischen Art seiner Wahrnehmung von "Bildern" und deren Bedeutung fĂŒr sein Werk noch weitgehend unbeantwortet. Hier setzen die folgenden Überlungungen ein. Hoffmannsthals Interesse an bildender Kunst zeigt sich schon zu Beginn seines literarischen Schaffens: in seinem Prosagedicht "Bilder" von 1891, den Ausstellungsbesprechungen und Rezensionen [...]; spĂ€ter dann in seinen Einleitungen zu Mappenwerken wie Ludwig von Hofmanns "TĂ€nzen" (1905) oder den Handzeichnungen aus der Sammlung seines Rodauner Nachbarn Benno Geiger (1920). Auch in seine Versen zu "lebenden Bildern", in den lyrischen Dramen und den Libretti, sogar in einzelnen Gedichten ist eine besondere "ikonographische" Komponente erkennbar; sie gilt im besonderen Maße fĂŒr die Balette, etwa den "Triumph der Zeit", was bislang noch kaum gesehen wurde. Schließlich spiegelt sich das vitale Interesse an Kunst in den ReiseaufsĂ€tzen, in VortrĂ€gen, Briefen und Notizen. In vielen seiner persönlichen Beziehungen (von den deutschen Zeitgenossen insbesondere zu Harry Graf Kessler, Eberhard von Bodenhausen, Alfred Walter Heymel, Julius Meier-Graefe) ist die bildende Kunst ein wichtiges kommunikativ-verbindendes Element

    "Details sollten sein wie jener Blitz bei Dickens" : photopoetische Reflexe um 1900

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    In seinem bemerkenswert frĂŒhen Versuch, die Wissenschaft zu beobachten, nennt Ernst Mach zwei starke Argumente fĂŒr die neuen optischen Medien, insbesondere die Photographie: Sie bringen 1. neue Schaueffekte in die Welt, optimieren somit Unterhaltung; 2. liefern sie neues Material fĂŒr die Wissenschaftler. Die Photographie schafft das, indem sie Unsichtbares sichtbar macht, zeigt, was sich "der natĂŒrlichen Anschauung" entzieht

    "Konsul Sandberg" von Edvard Munch und der Blick der Subversion bei GĂŒnter Eich

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    "Vor einem Bild", so Arthur Schopenhauer, "hat Jeder sich hinzustellen, wie vor einem FĂŒrsten, abwartend, ob und was es zu ihm sprechen werde; und, wie jenen, auch dieses nicht selbst anzureden: denn da wĂŒrde er nur sich selbst vernehmen." Es ist, als hĂ€tte GĂŒnter Eich eben diese Aufforderung ernst genommen und in ein subversives Sprachspiel verwandelt. Sein Gedicht "Munch, Konsul Sandberg" aus dem Jahre 1963 erweist sich dabei als ebenso bemerkenswerter wie eigenwilliger Beitrag zum Thema "Text und Bild". [...]Wenn GĂŒnter Eichs Gedicht aus dem Band "Zu den Akten" von 1964 etwas aus dem Bild ĂŒbemimmt, was gleichsam ins Auge springt, so ist es jene genannte AmbiguitĂ€t zwischen PrĂ€senz und Entzug, zwischen FlĂ€chigkeit und PlastizitĂ€t der Gestalt, die der Text nun seinerseits, in einer Art "overkill" gleichsam, radikalisiert. Eich besingt nicht das Bild, er kokettiert nicht mit der Tradition des Bildgedichtes, er treibt und hintertreibt vielmehr die Erwartung des Lesers durch die Konstruktion eines provozierenden Sprechers. Einer solchen Konstruktion scheinen Fragen vorausgegangen zu sein, wie: Kann ein Text etwas von der Spannung und Energie, die das GemĂ€lde ausstrahlt, "ĂŒbersetzen"? LĂ€ĂŸt sich etwas von der (Nach-)Wirkung dieses Bildes fassen, ohne in gĂ€ngige Register zu verfallen, mit denen Bilder in der Regel kommuniziert werden? Kann, mit anderen Worten, das VerhĂ€ltnis von Text und Bild anders artikuliert werden als im Modus der Beschreibung, eines Narrativs oder einer hermeneutischen Belehrung - Modi allesamt der BemĂ€chtigung, der RivalitĂ€t oder der Unterwerfung

    SchÀdel-Meditationen : zur Kulturgeschichte eines Denkmodells

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    "Tell me where is fancie bred, / or in the heart or in the head." (III,2) Diese Elementarfrage des Kaufmanns von Venedig hat schon die Antike beschĂ€ftigt: Der griechische Arzt Alkmaion von Kroton lokalisierte im 6. Jahrhundert v. Chr. die Sinneswahrnehmungen, GedĂ€chtnis und Vernunft im Gehirn, fĂŒr andere war das Herz Zentralorgan der Gedanken oder das Zwerchfell. Wenn am Beginn des 21. Jahrhunderts das Gehirn als Prozessor aller unserer Verhaltensleistungen gilt, so scheint sich das Problem ein fĂŒr alle Mal erledigt zu haben. "Wir gehen heute davon aus", schreibt Wolf Singer, "daß alle unsere Verhaltensleistungen, die höchsten kognitiven Funktionen und mentalen Prozesse eingeschlossen, auf neuronalen, also materiellen Prozessen in unseren Gehirnen beruhen." Glaube, Wille, Vorstellung, alles ehemals Innere des Ich, ist auf das Gesamtorgan des Gehirns verteilt

    Marsyas' Folter und Midas' Zorn : von der Wanderschaft eines Mythos oder: Schiedsrichterskandal

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    Der Mythos des Marsyas wurde in der (Kunst-) Geschichte verĂ€ndert und stĂ€ndig neu erfunden. [..] Im Jahre 1968, wĂ€hrend der Studentenrevolte, schrieb der deutsche Dichter GĂŒnter Eich (1907-1977) einen kurzen Prosatext unter dem Titel "Ein Nachwort von König Midas". Midas, der Möchtegern-Schiedsrichter, wĂŒtet gegen die MĂ€chtigen und beschuldigt die Massen, von Apollo verfĂŒhrt, im Glauben, die Welt sei in Harmonie. Nachdem Marsyas zum wahren Sieger deklariert wurde, stigmatisiert Midas ihn zum Schutzpatron der Erniedrigten und der Vertriebenen - all jener Außenseiter, die in der Lage sind, zu erkennen, was falsch mit der Welt ist. In diesem Abseits von Kunst und Gewalt, beherrscht Apollo den Kunstdiskurs; was fĂŒr einen Dissidenten wie Midas verloren gegangen ist, ist der "Paratext" - Epilog und Erinnerung.The myth of Marsyas has been altered and reinvented constantly throughout (art) history. [..] In 1968 during the student revolts, the German poet GĂŒnter Eich (1907-1977) wrote a short prose text under the title "Ein Nachwort von König Midas" (King Midas' Epilogue). Midas, the would-be-arbiter, rages against those in power and accuses the masses of being seduced by Apollo into beliving the world is in harmony. Declaring Marsyas the true victor after all, Midas establishes him as the patron saint of the stigmatised, the degraded, and the expelled - of all those outsiders, who are able to recognise what is wrong with the world. In this aside on art and violence, Apollo rules the art discourse; what is left for a dissident like Midas is 'paratext' - epilogue and memo
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